Vor einiger Zeit bin ich in dem Artikel: „Selbstverteidigung und Emotionen“ auf die verschiedenen Modi eingegangen, in die man in einer Stresssituation geraten kann.
Nun können – wie beschrieben – in Angriffssituationen ganz unterschiedliche Modi von mir abverlangt werden.
Aber was ist, wenn nicht ich selbst, sondern eine mir nahestehende Person angegriffen wird? Wenn ich zum Beispiel meine Tochter vom Bahnhof abhole und sehe, wie sie angegriffen wird? Weglaufen? Sicher nicht!
Und was mache ich, wenn bei uns eingebrochen wird?
In diesen Fällen bin ich ein Bodyguard und muss mich auch dementsprechend verhalten. Dies verlangt eine ganz spezielle Herangehensweise! Zum einen komme ich selbst in einen anderen Modus, zum andern sollte die angegriffene Person wissen, wie sie sich verhalten sollte. Außerdem brauche ich in solchen Situationen spezielle Techniken und spezielle Strategien.
Einem Streit aus dem Wege zu gehen ist immer die erste Wahl, aber meiner Familie gegenüber bin ich der „Schutzbeauftragte“.
Das gleiche gilt übrigens auch für Mütter gegenüber ihren Kindern. Wenn eine Mutter sieht, wie sich jemand an ihrem Kind vergreifen will, wird sie sicher nicht weglaufen. Die große Frage ist nur, was sie stattdessen tun wird und ob dies ziehführend ist?
Es geht hier nicht darum paranoid zu werden, aber es ist besser, auf eine solche Situation vorbereitet zu sein. Meine Tochter lief nachts nach einem Weinfest mit ein paar Freunden heim, als sie von einer Gruppe belästigt wurden. Einer von Carolins Freunden sagte dann: „Hole schnell Caros Vater!“ (schon interessant, sie hätten ja auch die Polizei rufen können). So schnell ist man in einer Situation, in die man selbst nie geraten würde – ich bin um diese Uhrzeit nicht mehr auf einem Weinfest, um genau solchen Situationen aus dem Weg zu gehen.
Auch als Abteilungsleiter kam ich hinzu, als ein Mitarbeiter einem Kollegen der am Boden lag mit dem Sicherheitsschuh mehrfach ins Gesicht trat. In der Londoner U-Bahn wurde ich Zeuge, wie ein Mann eine Frau belästigte. Einzuschreiten ist keine Selbstverteidigungssituation – im Prinzip wird man selbst zum Angreifer. Dies erfordert eine komplett andere Strategie. In einer Selbstverteidigungssituation bringt man sich möglichst aus dem „Schussfeld“ – in einer solchen Situation wirft man sich förmlich hinein.
Ihr seht, es ist nicht immer so schwarzweis, wie man glauben könnte. Viele sind sich sicher, jedem Streit aus dem Weg gehen zu können – aber trifft das unter solchen Umständen auch zu? Jede Situation erfordert eine eigene Vorgehensweise – darauf sollten wir vorbereitet sein!